Vortrag TU Ilmenau, Thüringer Werkstofftag, 15.03.1999

Thüringer Werkstofftag, 15.03.1999

Technische Universität Ilmenau

M. Hofmann

Schadensanalysen
an metallischen Werkstoffen

Einleitung

Zielstellung

Ziel des Vortrages ist die allgemeine Darstellung von Ablauf und Inhalt
einer Schadensanalyse. Neben den dazugehörigen Hilfsmitteln werden zum
besseren Verständnis praktische Beispiele diskutiert. Eine tiefgreifende
Darstellung ist nicht beabsichtigt, und durch die Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit auch nicht möglich. Die Aufgabenstellung, eine Schadensanalyse
durchzuführen, ergibt sich in der Regel erst nach einem Schadenseintritt.
Als Ergebnis einer komplexen Untersuchung zur Klärung der Schadensursache
gehört auch eine entsprechende Aussage zur Vermeidung gleichartiger Schäden.Die
Notwendigkeit einer Schadensvorbeugung ergibt sich aus dem rechtzeitigen
Erkennen von Gefahrenquellen an Baugruppen, Maschinen und Anlagen um katastrophale
Schäden weitestgehend zu vermeiden oder im kalkulierbaren Rahmen zu halten.
Die regelmäßige Kontrolle an sicherheits-technischen Anlagen ist durch
Gesetze und technische Regelwerke unter anderem in der Gewerbeordnung
geregelt (z.Bsp. bei Druckbehältern bzw. Kraftwerksanlagen). Der zunehmende
Zwang sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wird auch durch die Einführung
von Qualitätssicherungssystemen oder durch das seit 1989 geltende Produkthaftungsgesetz
begründet.

Allgemeine Grundbegriffe

Eine Versagenswahrscheinlichkeit, d.h der mögliche Eintritt eines
Schadens, ist in der Technik immer vorhanden. Durch geeignete technologische
und konstruktive Maßnahmen muß daher das Risiko für einen Schadenseintritt
möglichst gering gehalten werden. Die wichtigsten Begriffe und Definitionen
sind in der VDI – Richtlinie 3822 erläutert.

Begriffe zur Beurteilung von Schadensfällen (Auswahl) [1]

Schaden:

Eine Veränderung am Bauteil, durch die dessen vorgesehene Funktion
beeinträchtigt oder unmöglich gemacht wird, bzw. eine Beeinträchtigung
zu erwarten ist.

Schaden=Versagen

 

Schadensanalyse:

Schadensuntersuchung und Ableitung der Maßnahmen für Schadensabhilfe
und gegebenenfalls Ableitung allgemeiner Maßnahmen zur Schadensverhütung.

 

Schadensbild:

Äußerer Zustand des beschädigten Bauteils; Veränderungen am
Bauteil bzw. Werkstoff.

  • Äußere Verfärbungen

    Anlaßfarben durch thermische Schädigungen, Oxid- / Zunderschichten,Korrosion

  • Makroskopisches Bruchbild

    Zäher oder spröder Gewaltbruch, Dauerbruch

 

Schadensart:

Benennung des Schadens;

Art der Überbeanspruchung: Mechanische Belastung, thermisch, chemisch/korrosiv,
tribologisch o. deren Kombinationen

 

Schadensursache:

Summe der schadensauslösenden Einflüsse

 

primäre Schadensursache:

Zeitlich zuerst auftretende Schadensursache

 

Auslösende Fehlerart (primär/sekundär):

  • Mechanische Beeinträchtigung
  • Korrosion
  • Thermische Schädigung
  • Tribologische Schädigung

 

Beispiel:

Die Spannschraube am Messer einer Kunststoffverarbeitungsanlage versagt
durch einen Dauerbruch nach kurzer Einsatzzeit. Die Betriebstemperatur
der Anlage beträgt ca. 280°C. Eine Analyse des Schraubenwerkstoffes ergab,
daß man bei der konstruktiven Berechnung zwar einen Werkstoff ausreichender
Festigkeit (8.8) ausgewählt hat, dieser aber für den Dauereinsatz bei
dieser Temperatur keine Beständigkeit der Streckgrenze aufweist (Warmstreckgrenze).
Die Schadensart ist ein Dauerbruch mit einem Konstruktionsfehler als primäre
Schadensursache.

Schadensverhütung:

Vorbeugende Maßnahmen gegen das Eintreten von Schäden

 

Voraussetzung
für eine wirksame Schadensverhütung ist die Ermittlung der primären
Schadensursache.

Beanspruchungsprozeß [9]

Beanspruchung: statisch, dynamisch, schwellend….
Widerstand Bauteil / Werkstoff: Festigkeit, Zähigkeit, Streckgrenze

Versagensbeispiele:

B
>> W
Gewaltbruch
W < Werforderlich Materialfehler; Behandlungsfehler (Wärmebehandlung, Schweißen,
Galvanik)
B > W Versagen im Betrieb durch Überlastung infolge Konstruktionsfehler,
Überlagerung der Belastung durch Zusatzbeanspruchung
W < Werforderlich Festigkeitsminderung im Betrieb, z.Bsp.Korrosion, Alterung
(Verspröden), Kriechen

Aufgabenstellung der Schadensanalyse:

  • Beurteilen und Klassifizieren des Schadens
  • Ermittlung der Schadensursache
  • Aussagen zur Vermeidung von Wiederholungen des Schadens

Werkzeuge und Hilfsmittel zur Durchführung einer Schadensanalyse

Schadensanalyse
= Summe der Bewertungen von:

  • Werkstoffkundlichen Untersuchungen an Bauteilen und Materialien

Chemische Zusammensetzung

Makrogefüge – Bruchbild

Mikrogefüge

Mechanisch – technologische Prüfungen

  • Konstruktive Gestaltung von Anlagen und Maschinen

Materialauswahl

Werkstoffpaarung (Tribologie, Korrosion)

  • Einfluß externer Umgebungseinflüsse zum Zeitpunkt des Schadens

Schadensbegünstigung

Bewegungsabläufe

Temperatur

Medien

  • Technische Regelwerke und Gesetze
  • Simulationsrechnungen / Versuche / Literaturvergleiche zum Beweis
    einer Schadenshypothese

Simulation der Schadensbedingungen am PC und Vergleichswerkstoffen

Schadenskataloge (VDI, Versicherungen u.a.)

Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Methoden (APM, Kepner-Tregoe;
Relevanzbaum …) sind in [1] – [5] enthalten.

Diese Komplexität der Aufgabenstellung macht eine systematische
Vorgehensweise notwendig. Bei der Bearbeitung ist vor allem darauf
zu achten, daß es sich bei den Beweismitteln in der Regel um Unikate
handelt. Durch eine Zerstörung oder Vernichtung von Informationen
wird eine nachträgliche Überprüfung von Untersuchungsergebnissen
unmöglich.

 

Einflussgrößen :

Prüfverfahren:

Simulation:

Relevanzbaum Schmitt-Thomas [1]

Beispiele [4]

Datenbank Dr. Sommer GmbH; Programm PSIM

Inhalt und systematischer Ablauf einer Schadensanalyse

Art und Weise der Durchführung einer Schadensanalyse wird wesentlich
durch die spezielle Aufgabenstellung bestimmt. Beispielsweise ist
die Fragestellung nach der Ursache für eine schlechte Umformbarkeit
von Blechen beim Tiefziehen nicht mit dem gleichen Bearbeitungskonzept
wie die Fragestellungen nach der Ursache für den erhöhten Verschleiß
an einem Getriebeteil oder der Ursache für die Rissbildung an einer
Schweißnaht zu beantworten. Unterschiedliche Werkstoffkenngrößen,
deren Abweichung vom Soll-Wert als mögliche Schadensursache in Frage
kommen, bestimmen die Vorgehensweise (Streckgrenze – E-Modul; Wärmeleitfähigkeit;
elektrische Leitfähigkeit; Härte; mechanische Fließgrenze)

Zielstellung:

  • Ermittlung der primären Schadensursache aus einem vorliegenden
    Schadensbild und dem rekonstruierten Schadensverlauf
  • Festlegung von Maßnahmen zur Vermeidung des wiederholten Auftretens
    gleicher oder ähnlicher Schäden

Vorgehensweise:

Die inhaltliche Aufgabenstellung einer Schadensanalyse besteht aus
verschiedenen Elementen:

  • Schadensfallaufnahme

    Makroskopische Dokumentation, Sammeln von Informationen, Prüfen
    auf Vollständigkeit, Erfassen von Zusammenhängen,Wirkprinzpien
    und Belastungsvorgängen bei Maschinen undGeräten

  • Soll-IST Vergleich

    Überprüfung der Zeichnungsangaben, Materialeigenschaften, Konstruktionsvorgaben;

  • Bewertung

    Formulieren des Schadensverlaufes und Benennung der Schadensursache/
    Primäre Schadensursache

    Unterstützung der Beweisführung durch Informationen aus Literatur
    und Simulationsrechnungen / technischen Versuchen

Systematik der Schadensanalyse

  • Zeitpunkt des Schadenseintritts (Vorgeschichte)

    Bei Anlieferung der Proben im Labor- Umstände in der Regel unbekannt;
    Klärung der Vorgeschichte; Lieferanten

  • Herstellung Rohmaterial

    Schmiedefehler, Gießfehler, chemische Zusammensetzung, Bei Kunststoffen
    Mischungsverhältnis von Kunststoff – Füllstoff

  • Bearbeitung zum Halbzeug (Stangen, Profile, Bleche)

    Risse beim Umformen; Schweißfehler

  • Veredelung (Galvanik, Härterei, Lackiererei)

    Wasserstoffversprödung;Härterisse;chemisch-thermische Randschichten

    Konstruktion (Dimensionierung, fertigungsgerechtes Gestalten)

    Erodieren – Wärmebehandlung; Einsatz V2A – V4A,

    X46Cr13 mit optimaler Härte für Korrosionsbeständigkeit

    Werkstoffkombination; Brunnenfigur aus Bronze -Stahlmutter am
    Boden

Vorgehensweise bei der Prüfung an Bauteilen und Materialproben:

  • Festlegung der Reihenfolge der Prüfungen (Prüfplan)

    Optimaler Informationsgewinn mit geringstmöglicher Zerstörung,
    d.h. Beginnen mit zerstörungsfreien bzw. zerstörungsarmen Verfahren
    (Röntgen, Ultraschall, Eigenspannungs-messungen, Wirbelstrom,Härteprüfung,
    spektroskopische Analyse der chemischen Zusammen-setzung, bei
    kleinen Proben EDX-Analyse im REM)

  • Schadensbild – Schadensart – Schadensursache

    Aus dem Schadensbild und den Ergebnissen der Materialprüfung kann
    auf die Schadensart geschlossen werden (Bruchbild,Gefüge,Analyse,Härte,Festigkeit).Zur
    Klärung der Schadens-ursache sind in der Regel umfangreichere
    Bewertungen der komplexen Umstände des Schadeneintrittes notwendig.
    Hier ist die Materialprüfung nur ein Teil der Untersuchungsergebnisse.
    Bei fehlenden Informationen ist eine zweifelsfreie Klärung der
    Schadensursache nicht immer möglich.

Wesentliche Voraussetzung für einen Erfolg der Schadensanalyse ist
die Auswahl und Präparation des zu untersuchenden Bereiches am Bauteil
oder der oft nur geringen Probenmengen. Hierzu werden Erfahrungen
und Kenntnisse über die Zusammenhänge der Materialbeanspruchung bzw.
der technischen Mechanik für die Einschätzung möglicher Ursachen des
Versagens verlangt. Informationen von am Schaden beteiligten Personen
sind als nur bedingt glaubwürdig zu behandeln.

Beispiel einer unsachgerechten Vorgehensweise:

Zur Untersuchung mittelalterlicher Waffen wurden aus Hakenbüchsen
mit der Handsäge Proben wahllos herausgetrennt. Es sollte geklärt
werden, ob die Läufe durch Gießen oder Schmieden hergestellt wurden.Eine
Zerstörung war weder notwendig, noch ließ sich über das Gefüge im
Querschnitt auf diesem Weg eine eindeutige Aussage treffen. Durch
eine Röntgenuntersuchung oder andere zerstörungsfreie Verfahren
kann man Seigerungsstrukturen oder andere gußtypische Merkmale auch
ohne Schädigung der wertvollen Waffen nachweisen.

Literatur zur Schadensfalluntersuchung:

[1]

VDI – Richtlinie
3822 „Schadensanalyse“

Beuth-Verlag Berlin

[2] Grosch, J. : Schadenskunde im Maschinenbau

expert Verlag, 1995

[3] Broichhausen, J. : Schadenskunde

Carl Hanser Verlag München 1985

[4] Schmitt-Thomas,u.a. : Technik und Methode der Schadensanalyse

VDI-Verlag Düsseldorf 1990

[5] Uhlig, W. : Schadensanalyse,

Systematik-Methoden-Werkstofftechnische Bewertung

VEB Verlag Technik Berlin1986

[6] Allianz- Handbuch der Schadenverhütung

Allianz Versicherungs-AG München und Berlin 1976

[7] Eckstein, H.-J.: Technologie der Wärmebehandlung von Stahl

VEB Deutscher Verlag der Grundstoffindustrie 1987

[8] Schumann, H, u.a.:Metallographie

Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie 1990

[9] Müller, H.: Beurteilung technischer Schadensfälle

Vortrag am 08.12.90 in Suhl

[10] Wendler-Kalsch, E. ; Gräfen H.: Korrosionsschadenskunde

Springer Verlag Berlin-Heidelberg 1998

Autorenangaben:

Dipl.-Ing. Hofmann, M.

MartinHofmannWerkstofftechnik

MHW-Ingenieur-und Sachverständigenbüro

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